Speicherkristalle
SPEICHERKRISTALLE
Das Juwel von Mimoto, dem Icho Tolot vor mehr als 700 Jahren auf seiner Reise durch die Galaxis der Konstrukteure des Zentrums (M 87) begegnete, hatte die Form und Größe eines Straußeneies und leuchtet, wie gesagt wird, in "betörend" blauer Farbe. Wer es sah, der hielt es für eine Kostbarkeit ersten Ranges, für einen Gegenstand, der seinem Namen Ehre machte: für einen Edelstein von unübertrefflicher Schönheit und Klarheit. Das Licht spiegelte und brach sich in Tausenden von Facetten. Der funkelnde Glanz verwirrte dem Betrachter die Sinne. Wahrhaftig, das Juwel von Mimoto war das Prunkstück des Kronschatzes von Yanyok.
Die Frage erhebt sich, ob König Povarithrong überhaupt eine Ahnung von der wahren Bedeutung des Juwels hatte. Icho Tolot andererseits, der die Angewohnheit hat, selbst der hübschesten und romantischsten Legende mit dem Skalpell der Logik zu Leibe zu rücken, gab sich mit der Betrachtung des betörenden Gefunkels nicht zufrieden. Nachdem er Povarithrong den Stolz des Kronschatzes abgenommen hatte, untersuchte er das blaue Ei auf Herz und Nieren. Er fand tatsächlich Tausende von Facetten. Es waren genau 65536, wie der Bordcomputer ermittelte. In dieser Hinsicht war auf Kattok Verlass, er verzählte sich nie. Die Zahl indes versetzte den Haluter in mehr als gelinde Erregung. Denn 65536 = 216, und alles, was sich in Zweierpotenzen ausdrücken lässt, hat irgend etwas mit Computern und Information zu tun. lcho Tolots Erregung steigerte sich noch, als er unter dem Mikroskop entdeckte, dass jede Facette wiederum zu 65536 Subfacetten geschliffen war. Die Gesamtzahl der Facetten betrug also 65536 x 65536 = 4294967296 = 232.
Wenn, so überlegte der Haluter, jede Mikrofacette einem Bit entsprach, dann konnte man auf der Oberfläche des Juwels eine ganze Menge Daten unterbringen. (Zum Beispiel den Text von knapp 2700 Perry Rhodan-Heften.) Dass es sich tatsächlich so verhielt, mit anderen Worten: dass das Juwel von Mimoto wirklich ein elegant getarnter Datenspeicher war, das fand Icho Tolot einwandfrei heraus. Leider gelang es ihm nicht, mehr als einen winzigen Bruchteil der gespeicherten Informationen zu entziffern. Der Haluter erfährt in Umrissen die Geschichte der Welt Yanyok, hört von einem Revolutionär namens Quatturmas und von Fremden, die Cantaro genannt werden. Er findet auch die Koordinaten des Mimito Black Hole. Damit war aber auch schon Schluss. Und kurze Zeit später - kurz war sie zumindest auf lcho Tolots eigener Uhr - musste er das Kleinod an den Wächter Harzhid abtreten. Das fiel ihm nicht schwer, denn damals war er noch des Glaubens, die im Juwel enthaltene Information sei so kodiert, dass niemand sie je würde entschlüsseln können. Somit könnte man das Juwel von Mimoto und seine bewegte Geschichte einfach vergessen. Da aber taucht plötzlich die Perle Moto auf, und allein der Name gibt einem schon zu denken.
Mimoto - Moto: ist der Gleichklang rein zufällig?
Wir kennen das Juwel von Mimoto als geschliffenen Edelstein, und für unser Sprachverständnis sind Stein und Perle zwei verschiedene Dinge. Aber mit der Semantik brauchen wir uns nicht aufzuhalten. Die Sprachen von Yanyok und Karapon haben nichts miteinander gemeinsam und allein der Unterschied in den Mentalitäten und Vorstellungswelten der Völker sorgt dafür, dass sich Unklarheiten in jede Übersetzung einschleichen. Verfolgen wir einmal die Gedanken, die Großadmiral Feng-Lu durch den Kopf gehen. Er besitzt einen Teil der Perle Moto. Seine Kaiserliche Majestät, Thoy-P'ang, Herrscher des karaponidischen Imperiums, hat ihm das Perlenfragment zu treuen Händen übergeben. Feng-Lu wartet auf ein Großraumschiff, das aus Hangay eintreffen soll. Dann kombinieren wir des Admirals Gedanken mit Informationen, die uns, aber nicht ihm, zur Verfügung stehen und plötzlich wird vor unseren Augen ein abenteuerliches Bild aufgeblendet.
In einem anderen Teil des Universums, knapp 900000 Lichtjahre und 2 bis 3 Monate entfernt, war vor kurzem ein karaponischer Einsatztrupp damit beschäftigt, die Einzelteile eines Riesenraumschiffs namens BASIS wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen. Die Terraner, die die Karaponiden bei ihrem Vorhaben überraschten, waren selbst erstaunt, mit welchem Sachverständnis Phang-Troc und seine Soldatentechniker vorgingen. Die Daten, die sie für den Zusammenbau brauchten, so erfuhr man später von Phang-Troc, hatten sie vom Kaiser selbst erhalten. Was aber kann der Kaiser von Karapon über die BASIS wissen?
Ihr merkt's schon, worauf das hinausläuft, nicht wahr? Die Spekulation, dass der Kaiser seine Information aus der Perle Moto bezogen haben könnte, drängt sich einem förmlich auf. Denn gewiss doch ist die Perle Moto ebenso ein Datenspeicher wie das Juwel von Mimoto. Womöglich sind die beiden sogar miteinander identisch!
Damit erhebt sich die Frage: Woher stammen die Juwelen? Die Perle Moto enthält offenbar Daten, die sich auf die Milchstraße beziehen. Das Juwel von Mimoto nahm Bezug auf das Volk der Cantaro, in dem wir die gegenwärtigen Herren der Milchstraße sehen. Wer hat die Datenträger beschrieben? Wie sind sie in die Hände des Königs Povarithrong bzw. des Kaisers von Karapon gelangt?
Eine zuvor angestellte Spekulation müssen wir noch zurechtrücken. Als Icho Tolot das Juwel von Mimoto erbeutete, existierte die BASIS noch als Ganzes. Wahrscheinlich war sie damals schon im Raumsektor X-DOOR stationiert. Auf dem Juwel von Mimoto, wie es der Haluter in der Hand hielt, können die Daten über die zerlegte Basis noch nicht gespeichert gewesen sein. Sie sind entweder später hinzugeschrieben worden (von wem?), oder wir müssen die Schlussfolgerung ziehen, dass Juwel und Perle zwar die gleiche Funktion besitzen, aber nicht miteinander identisch sind.
Als ob uns die Sache dadurch einfacher gemacht würde!
Irgendwo geistert einer durchs Universum, der Milchstraßen bezogene Daten auf Speicherkristalle schreibt und die Kristalle dann auf abenteuerliche Reisen schickt. Das Juwel von Mimoto wurde 40 000 000 Lichtjahre von der Milchstraße entfernt in der Galaxis M 87 gefunden. Die Perle Moto gehört dem Kaiser von Karapon, der 2100 000 Lj von der Milchstraße weg seine Residenz hat. Ich nehme an, dass Perle und Juwel uns noch eine Menge Kopfzerbrechen bereiten werden.